THE AFFECTIVE TURN OR THE SKIN IS FASTER THAN THE WORD

THE AFFECTIVE TURN OR THE SKIN IS FASTER THAN THE WORD

Ausstellung: 3. – 30. März 2016
Eröffnung: Donnerstag, 3. März, 19 – 21 Uhr, 19:00 „Contemporary Present Time Compositions“ von Johanna Wu (vl) und Harri Sjöström (ss)
Finissage: 30.03.2016, 19:00  Rafal Dziemidok – Performance
Adresse: WHITECONCEPTS | August­straße 35 | 10119 Berlin | www.whiteconcepts.de
Öffnungszeiten: Mo – Fr 11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung

Wie lässt sich jene unkontrollierte halbe Sekunde zwischen Reiz und Reaktion – bevor dies zur Sprache wird – mit skulpturalen und malerischen Portraits visualisieren? Die Ausstellung in der Galerie WHITECONCEPTS stellt neue Skulpturen von Veronika Witte mit dem Titel „ghosted bodies“ und Tuschebilder der Serie „Anatomie of Pain“ von Mika Karhu gegenüber. Beide Künstler transformieren Portraits, die aus Kombinationen und Überlagerungen ausgewählter Bildvorlagen wie Fotos, Zeichnungen und Footage entstehen. Die künstlerischen Positionen begegnen sich in der Befragung von gesellschaftlichen Phänomenen. Im Fokus steht das Denken durch und über den Körper, um die Zukunft sowohl in einem theoretisch-abstrakten Referenzsystem als auch kollektive Projektionen und subjektive Desiderate in einem anthropologischen Sinn, anhand konkreter Bilder und Visionen greifbar werden zu lassen.
Thematisiert werden Affekte auf soziale Spannungen wie Vertreibung, Flucht und Terrorismus sowie das Phänomen der gleichzeitigen Virtualisierung, Technisierung und Entprivatisierung des (sozialen) Körpers. Denn im Angesicht der Instrumentalisierung der Ängste, die im „closed circuit“ der Medien an zynischer Schärfe und unverhohlenem Einsatz zugenommen hat, wird ein „affective turn“ erzeugt, der eine analytische Herausforderung für die Kunst und Disziplinen wie Philosophie, Biotechnologie, Neurowissenschaften, Psychologie, politische Ökonomie und Kulturkritik darstellt.

Bei Veronika Witte stehen immer wieder öffentliche Befragungen am Beginn der Recherche, die in Videoarbeiten, Installationen und partizipative Kunstprojekte münden. Wissenschaftlich anmutende Fragebögen bestimmen in vielen Arbeiten Versuchsanordnungen zu Identität, Subjektkonstituierung und Zukunftsperspektiven.
Die Künstlerin befragt ihre Probanden nach dem eigenen subjektiven Empfinden, nach Zukunftsvorstellungen zu ihrem Körper, nach den zu erwartenden sozialen Entwicklungen und auch nach der Zukunft des Menschlichen generell. Deren anonymisierte Ergebnisse über zukünftige Körpervorstellungen werden durch künstlerische Filter zu Skulpturen verarbeitet. Sie sondiert damit in einem ersten soziologisch angelegten Arbeitsschritt die Grenzbereiche zwischen Subjekt und Gesellschaft, zwischen individueller und kollektiver Utopie und bezieht überdies das Verhältnis von Kultur und Ästhetik in ihre Überlegungen ein, wenn sie an ihren „Portraits“ der Gegenwartsgesellschaften und deren Projektionen arbeitet. Denn die Frage ist ja nicht allein, was wir tun werden, wenn wir uns verändern, sondern wie wir etwas tun und worin sich der Sinn zukünftiger, fragmentierter oder gesampelter Körperselbstbildnisse – die ein Produkt von Jahrtausenden alter, evolutionärer und kultureller Prozesse darstellen – präsentiert und äußert.
Ihre neuen Skulpturen „ghosted bodies“ (2015-2016) basieren auf die in ihrer Langzeitfeldforschung generierten Zeichnungen des ISF. Diese werden über digitale Prozesse manipuliert. Ihre Zeichnungen zeigen hybride Kreaturen, die von Witte immer wieder als Quelle und Vorlage für skulpturale Verkörperungen genutzt werden. Im Vergleich zu den früheren Arbeiten scheinen sie weniger kühl, amorph, molekular flüssig, spiegelnd lackiert, sondern eher roh, verzerrt, affektgeladen, grausam, grotesk und ambivalent. In expressionistischen Farben gebrannt – die sich auf ihre Umfrageergebnisse beziehen – tarieren die Skulpturen Gegensätze wie Grauen und Komik, Lächerlichkeit und Bedrohung, Zierlichkeit und Monstrosität aus – eine künstlerische Sprache, die in der Vielfältigkeit und allen konzeptuellen Ansätzen in Wittes Arbeiten immer hervorscheint.

Die Berliner Künstlerin Veronika Witte (*1962) studierte an der Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Ihr Oeuvre umfasst Videos, Skulpturen und Installationen sowie interdisziplinäre Projekte. Insbesondere untersucht Witte, welche Rollen der biologische Körper für zukünftige Gestaltungen in der Gesellschaft z.B. als Ressource spielt. Am Ende ihrer Forschung stehen oft skulpturale Produktionen mit Videos und Objekten als auch szenische Installationen für Theater und Oper.
Witte wurde mehrfach für ihr Werk ausgezeichnet. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen in ganz Europa als auch in Vietnam präsentiert. Seit 1999 zeichnet sie für Kooperationen mit Theatern verantwortlich (u.a. Staatsbank Berlin, Saarländisches Staatstheater, Staatstheater Bielefeld).

Künstlerinformation und Werkübersicht

Mika Karhu wählt für seine dunklen Tuschebilder Portraits, historische Fotos sowie biografisches Material als Vorlage, um diese schichtweise, in altmeisterlicher Maltechnik zu verwenden.
Seine Bilder, Installationen und Zeichnungen erforschen das Zukunftsbild der Gesellschaft, das mit bedrohlichen Faktoren gezeichnet wird. Unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse und philosophische Theorien erforscht Mika Karhu bereits seit vielen Jahren die Folgen von sehr starken emotionalen Erfahrungen im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung und soziale Interaktionsmuster.
Als Künstler und Theoretiker untersucht er das politische Kalkül der Macht über gesellschaftliche Unsicherheit mit den daraus resultierenden Affekten und konzentriert sich dabei vor allem auf die Angst. Im Mittelpunkt seiner künstlerischen Arbeit steht die Auseinandersetzung mit der emotionalen Spannung struktureller Schutzlosigkeit und deren Anwesenheit in Form von Angst als unbewusstes Konstrukt – konstruierte Angst vor dem Fremdem, das sie begleitende Unheil, Furcht vor der möglichen Misere und vor der Verschiebung von Wertvorstellungen. Paradoxerweise erhöht die Bemühung um eine sichere Gesellschaft die Anzahl der potentiellen Quellen der Bedrohung. Durch die steigende Anzahl der Verbote und Regeln, wird das ehemals zum „normalen Verhalten gehörende“ als Bedrohung empfunden. Diese diffuse Bedrohung wird zum Instrument der gesellschaftlichen Macht, die Auswirkungen auf das Leben eines jeden Normalbürgers hat. Denn die Vorstellung von Bedrohung verstärkt das Gefühl der Schutzlosigkeit und evoziert Unsicherheit und Unberechenbarkeit.
Karhu hinterfragt zudem auch kommerzielle Anwendungen, die in der Ökonomie der Angst mittels Überwachung und Schutzlosigkeit erzeugenden Bedrohungen ermöglicht werden.
Seine Arbeiten bewegen sich in der Welt der schwarz-weißen Tonwerte – eine Metapher für die Welt des Lichtes und der Dunkelheit. In ein und demselben Bild zeigen sich Variationen von tiefen Schatten, glühendem Licht und erstickendem Grau.

Dr. Mika Karhu (*1969 Joensuu, Finnland) studierte neben Bildender Kunst und Grafik theoretische Philosophie, Mikrobiologie und Neuropsychologie. Er arbeitet als internationaler Künstler, Wissenschaftler, Kurator sowie als Dozent für Kunst und Design an der Aalto Universität in Helsinki und wurde mehrfach für sein Werk ausgezeichnet. Karhus Arbeiten wurden in Ausstellungen in ganz Europa vorgestellt und sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.

Rafal_Dziemidok

Rafał Dziemidok  (*1971) ist Tänzer, Schauspieler und Choreograf. Er studierte zeitgenössischen Tanz und Schauspiel am Bard College (NY, USA) und begann seine Karriere beim Dada von Bzdülöw Theater in Gdańsk. Seine Stücke für Theater, Oper und Film führte er in Polen sowie im Ausland auf und wurde mehrfach dafür ausgezeichnet..
Im Jahr 2005 gründete er mit Ewa Garniec das Künstlerkollektiv KONCENTART. Von Berlin und Warschau aus organisieren sie Projekte in den Bereichen Tanz, Performance sowie bildende Kunst und laden dazu Künstler verschiedener Genres ein. Ihre Werke wurden bei zahlreichen Festivals präsentiert, z.B. The Place (London), Dublin Dance Festival, Body-Mind (Warschau), Lublin Dance Festival, Stary Browar (Posen), Springforward (Ljubljana), Les Plateaux (Val-de-Marne), Azkuna Zentroa (Bilbao), HAU Berlin und Uferstudios (Berlin).

SEET VAN HOUT’S RESIDENZPROJEKT AM DONDERS INSTITUTE FOR BRAIN, COGNITION AND BEHAVIOUR

SEET VAN HOUT’S RESIDENZPROJEKT AM DONDERS INSTITUTE FOR BRAIN, COGNITION AND BEHAVIOUR

Der erweiterte Kunst- und Wissenschaftsbegriff von Joseph Beuys lässt Kunst und Wissenschaft ein gemeinsames Arbeitsfeld erproben. Lange bevor Naturwissenschaftler wie z. B. der britische Biologe Rupert Sheldrake einen holistischen Ansatz in der Wissenschaft untersucht, spricht Beuys bereits von der Wiederkehr einer „lebendigen und beseelten Natur“. Diese „Wiedergeburt in der Natur“ (R. Sheldrake, 1990) als auch im Geist wird im systematischen Denken als „Muster, das verbindet“, gesehen (Gregory Bateson, Geist und Natur; Eine notwendige Einheit, 1982).

Wegweisend auf diesem Gebiet ist das Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour an der Radboud University in Nijmegen/Niederlande, das sich mit Hirnaktivitäten und neuronaler Kommunikation auseinandersetzt. Das vor allem im Bereich Gehirnforschung weltbekannte Forschungszentrum beschäftigt mehr als 600 Mitarbeiter und ließ sich nun erstmalig auf ein experimentelles Projekt mit der holländischen Künstlerin Seet van Hout ein.

Van Houts künstlerischer Schwerpunkt ist vor allem der Erinnerung gewidmet. Erinnerungen nachzuspüren, bedeutet für sie einen komplexen, weitreichenden und spannenden Prozess zu verfolgen. Obwohl Erinnerungen der Vergänglichkeit ausgesetzt sind, können sie in späteren Zusammenhängen zu neuem Leben erweckt werden. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Seet van Hout in ihrer Kunst mit den Themen Gedächtnis und Gehirnfunktionen, was sie in ihren stark farbigen Arbeiten, zum Teil mit Fäden und Zwirnen, die sie auf ihre Leinwände aufnäht, ausdrückt. Verschiedene Strukturen weisen dabei auf ein neuronales Netz hin und sind einem Nervensystem ähnlich. Inspirieren lässt sich van Hout dabei neben aktuellen Forschungen von anschaulichem Material, wie mittelalterlichen Handschriften, Bibelillustrationen, Anatomiedarstellungen und botanischen Werken. Ihre darauf basierenden Werke sind im Sinne eines künstlerischen Gedächtnisses zu verstehen und spiegeln das komplexe Thema beispielhaft wider.

Eigens für die Holländerin wurde im Donders Institute ein Atelier eingerichtet, wo Seet van Hout täglich in direktem Dialog mit den Wissenschaftlern stand. Ihr Atelier war dabei für jeden Mitarbeiter zugänglich. Gleichermaßen nahm die Künstlerin an vielen Vorträgen teil. Viele Gehirnforscher gewährten van Hout Einblick in ihre neuesten Forschungen über das Gedächtnis. Impulse sowie Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen wurden fortwährend kommuniziert und ermöglichten so einen direkten Austausch. Besonders wegweisend für die Künstlerin waren die beiden Forscher Christian Doeller und Boris Nikolai Konrad. Doeller ist der Hauptinitiator des Donders Institutes. Seine bekannte Forschungsreihe „Memory and Space“ erhielt weltweit große Anerkennung. Der Neurowissenschaftler Boris Nikolai Konrad beeindruckt als Gedächtnissportler. Er ist mehrmals ausgezeichneter Sieger und Weltrekordhalter in verschiedenen Gedächtnisdisziplinen z.B. ‚Namen und Worte merken’.

Im Institut gab es für die Künstlerin keinen festen Tagesablauf. Besonders wichtig war ihr, dass „jeder Tag anders sei“. Oft verwandelte sie das Atelier in eine Nähstube und zeigte auf, dass Erkenntnisse mit der Nähmaschine visualisiert werden können; zumal sie festgenäht, also im Gewebe festgehalten werden müssen. Einmal gestaltete sie ein Dunkelzimmer, um ihren „Nachtschattenraum“ zu präsentieren. Ihre Bilder, alles schwarze Leinwände, die mit leuchtend roten Fäden bestickt waren, mussten dabei angestrahlt werden. Das rote Garn reflektierte einerseits botanische Abbildungen von Blüten und andererseits Illustrationen von Gehirnquerschnitten.

Das einmalige Experiment zwischen Seet van Hout und dem Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour wurde vom GBK, dem Gelderse Beeldend Kunstenaars (Niederländische Vereinigung für Künstler) initiiert. Seet Van Hout wünscht sich, dass sie in Zukunft öfter mit Wissenschaftlern und Instituten zusammenarbeiten kann. Der wissenschaftliche Transfer hat sie sehr inspiriert. Jedoch geht es van Hout um mehr, als nur das bloße Weiterführen ihrer Kunst. Ihr Experiment soll zum Vorreiter für weitere Projekte werden, um Kunst anderen Interessensgruppen näher zu bringen. Der interdisziplinäre Dialog zwischen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft soll das Gebiet der Kunst – und vor allem die Begeisterung und Anerkennung der Bevölkerung ihr gegenüber – festigen.

Mehr Infos über die Künstlerin
www.seetvanhout.com

Ein künstlerisches Partizipationsprojekt von Katrin Korfmann

Hervorgehoben

BLAUWE BLOEM

Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Künstlerin Katrin Korfmann kollektiven Ritualen, in denen sich die Identität des Einzelnen auflöst und sich das Individuelle mit der Gemeinschaft vermengt. Ihr Projekt Blauwe Bloem (dt. Blaue Blume) zählt zu ihrem Werkzyklus Ensembles assembled, in welchem sie eindrucksvoll magische Momente suggeriert, die die Gegenwart von Ritualen offenbart, bei welchen Menschen durch gemeinsame Aktionen einen großen Organismus bilden.

Nachdem die Künstlerin bisher für ihre Aufnahmen durch die Welt reiste und etliche Rituale dokumentierte, welche die gegenwärtige Zeit widerspiegeln, inszeniert Katrin Korfmann nun mit Blauwe Bloem zum zweiten Mal ein Ritual. Hierbei korrespondiert Korfmann mit der Kunstform des Happening, die auf einem improvisierten Ereignis und dem direkten Bezug zu einem Publikum basiert.

Blauwe Bloem basiert auf der Kreation eines Festes, das die Künstlerin in Zusammenarbeit mit Schülern der St. Janschool in Amsterdam entwickelte. Zwei Schülergruppen wirkten dabei mit u.a. für den geschichtlichen Hintergrund, die Gestaltung der Kostüme, die Auswahl der Musik und die Bezeichnung des Festes.  Katrin Korfmann erschafft mit ihrem künstlerischen Handeln Werke mit Symbolcharakter, kontextual erkenntlich durch den Bezug zu Riten, Mythen und Magie.

Blauwe Bloem

Blauwe Bloem, series: ensembles assembled, 2015 ultrachrome print, 100 x 80 cm

Thematisiert wird die Geschichte einer Lehrerin namens Daisy, die nach sieben Jahren Unterrichtszeit ihre Schule verlässt, um als Floristin in einem Blumenladen zu arbeiten. Nach und nach verödet die Schule und wird bald von keinem einzigen Kind mehr besucht. Nach 20 Jahren bekommt Daisy starkes Heimweh und entschließt sich an die verlassene Schule zurückzukehren, sie neu einzurichten und Direktorin zu werden. Als sie das Gelände der Schule betritt, begegnet sie dem Hausmeister Jan, der die Schule gehütet hat. Daisy übergibt ihm eine Blume und bittet darum, dass er diese in den verwilderten Garten der Schule pflanzen soll. Am nächsten Morgen traut Jan seinen Augen nicht, denn wie durch ein Wunder wuchs über Nacht ein Meer aus Blumen in dem vorher leblosen Garten. Wenige Zeit später erscheint eine Schar Kinder, die um jeden Preis wieder an der von Blumen umgebenen Schule unterrichtet werden will.

Der Tag der Rückkehr von Daisy wurde zum Anlass genommen, den Feiertag der blauen Blume von 2015 an jedes Jahr, am 24. April, zu feiern.

Mehr Infos über die Künstlerin
www.katrinkorfmann.com

Framing space – Jerusalem

Jerusalem by Susanne Kessler

Jerusalem by Susanne Kessler

Framing space – Jerusalem

Ausstellung: 04. – 29. Dezember 2015
Eröffnung: Donnerstag, 03. Dezember, 19 – 21 Uhr, Einführung: Dr. Hans Hoffmann, Historiker
Adresse: WHITECONCEPTS | August­straße 35 | 10119 Berlin | www.whiteconcepts.de

WHITECONCEPTS freut sich, die deutsch-italienische Künstlerin Susanne Kessler in einer Einzelausstellung zu präsentieren. Nach einer Tour, die im März 2015 begann, wird ihr Jerusalem-Projekt nun in Berlin vorgestellt. Die Ausstellungsstationen umfassten „Die sieben Hügel von Jerusalem“, kuratiert von Vincenzo Mazzarella und Paolo Bielli, in der Kirche Santa Lucia del Gonfalone in Rom, gefolgt von „The Jerusalem-Projekt“ im April 2015 während der Off Course – Art Fair in Brüssel, organisiert durch den Kurator Antonio Nardone. Ihre Installation „Jerusalem“, kuratiert von Jack Rasmussen, wird am 7. November in dem American University Museum des Katzen Art Center in Washington/DC eröffnet.

Bekannt wurde Susanne Kessler mit ihren raumgreifenden, organisch wirkenden Installationen. Seit den frühen 1980er Jahren sucht sie nach neuen Möglichkeiten, um Malerei oder Zeichnung plastisch werden zu lassen.

Mit ihrer Installation „Jerusalem“ setzt Susanne Kessler ihre Erforschung jenes metaphysischen und organischen Substrats fort, das menschliches Handeln durchwirkt und formt, und gibt eine prophetische Stimme über den Zustand der heiligen und notleidenden Stadt zu bedenken. Kesslers Faszination für kulturellen Wandel und die zahllosen visuellen Formen, die genutzt werden, um diesen zum Ausdruck zu bringen, wurde nicht zuletzt dadurch geprägt und bereichert, dass sie seit über dreißig Jahren in der uralten Stadt Rom lebt. Die Ablagerungsschichten der Zeit sind in Rom allgegenwärtig und sichtbar; seit Jahrhunderten kommen Scharen von Historikern, Wissenschaftlern und Künstlern in die ewige Stadt, um ihre Geschichte zu studieren und aus ihr zu lernen.

Wie Rom ist auch Jerusalem eine Stadt der Schichten, die stetem Wandel unterworfen sind. Als Brücke zwischen Ost und West ist sie die Heimat der drei großen Religionen des Judaismus, des Islams und des Christentums, und damit die Quelle sowohl ihrer größten Geschenke als auch ihrer kaum lösbaren Probleme. Die zum Teil mit Gewalt ausgetragen Konflikte, die das gegenwärtige Jerusalem in Atem halten, sind allerdings nicht als gegeben hinzunehmen. Noch im 19. Jahrhundert, was nicht lange her ist, lebten Juden, Muslime und Christen friedlich und gemeinschaftlich in der heiligen Stadt miteinander. Heute halten sie Gläubige aller Konfessionen für „das Auge des Universums“ im Zentrum der Schöpfung und den Ort, an dem sich die Offenbarung erfüllen wird. Was ist das für eine Stadt, die auf der einen Seite so tiefe Einsichten in die großen Mysterien birgt und fokussiert, während sie auf der anderen Seite so viel Leid hervorruft wie kaum ein anderer Ort in der Welt?

Kessler nähert sich dieser Frage wie eine Alchimistin, die mit stofflichen Formen innere Wahrheiten auslotet. Als sie sich der Aufgabe stellte, dem Wesen Jerusalems auf die Spur zu kommen, sichtete sie zunächst eine topographische Karte der Stadt aus dem 19. Jahrhundert. Solche Karten sprechen das Wechselspiel zwischen menschlichem Bemühen, Landformen, Wetterverhältnissen und der Ökologie von Flora und Fauna an. Sie spiegeln die Dialektik menschlichen Einfallsreichtums und seiner Triumphe wie Torheiten, die noch sichtbar sind in den freigelegten, auf die schriftlich dokumentierten Zeitläufe der Stadt bezogenen Schichten, das Auf und Ab ihrer Geschichte. Kesslers kartographische Quelle bringt solche bidirektionalen Adaptierungen organischer Naturformen und starr rechtwinklig urbaner Strukturen sinnfällig zum Ausdruck. Sie folgt den gewundenen, verworrenen Linien, durchmisst die Stadt mit Auge und Hand und spürt ihr als einem lebendigen Organismus nach, der aus einem jahrhundertealten Prozess permanenter Metamorphose gebildet ist.

Ihrem Impuls über die Grenzen der Vorlage hinaus folgend, erweitert Kessler ihre Untersuchungen In ihrer Ausstellung in Washington in die dritte Dimension, indem sie ein Netz aus verdrillten Plastiktüten, Klebeband, Kabeln und Drähten spinnt. Als intonierte sie ein Mantra oder Gebet, folgt sie den Linien immer und immer wieder und zieht den abstrakten Rhythmus der Stadt an die Oberfläche und daraus hervor. So erhebt sich über der Karte in ihrem distanziert analytischen Blick auf die Stadt eine organische Körperform als Derivat einer alchimistischen Mixtur aus Farben. Im kostbaren Silber und Gold schwingt Hoffnung mit, das verkohlte Schwarz erinnert an Gewalt und Unfriede. Nichts bleibt außen vor, alles wird als Wahrheit dieser komplexen Stadt miteinbegriffen, der sowohl die starren, scharfen Dornen der Furcht angehören wie auch die leuchtenden Bänder des Glaubens, der Kooperation über alle Unterschiede hinweg und des Versprechens auf Liebe. Kessler streift diese „Häute“ aus Drahtgeflecht von den darunterliegenden Wandzeichnungen ab – gleich einer Schlange, die sich häutet, um in eine neue Wachstumsphase überzugehen. Das Ergebnis ist ein dichtes und doch luftiges Netz aus rhythmisch schwingenden Linien, die frei im Raum schweben und den Eindruck unendlicher Multiplikation und Extension erwecken. Es erinnert an lebendige Systeme wie die neuronalen Bahnen im Gehirn, die Botschaften von einem Körperteil in einen anderen übermitteln, oder wie Myzelien, die Nährstoffe und Heilmittel in toxische Gebiete und Lebensverbände transportieren.

Einundzwanzig dreieckige, mit Pergament verkleidete Objekte evozieren nun in Berlin die akkumulierte Weisheit der Kulturen Jerusalems. Ihre Formen erinnern an islamische Spiegelmosaike, christliche Reliquienschreine und jene Behältnisse, in denen koptische Christen ihre Bibeln aufbewahren. Die Nummer 21 deutet auf die drei Religionen und die sieben Hügel der Stadt hin.

Jerusalem, herzzerreißendes Lamento und Psalm voller Lob und Hoffnung zugleich, durchkreuzt simple, binäre Formeln und weist Schuldzuweisungen, Urteile und alle Verzweiflung darüber zurück, was unveränderlich erscheinen mag. Kessler findet stattdessen Inspiration im historischen Prozess, der vom Wandel geprägt ist, und nimmt die in Jerusalem aufeinander treffenden Glaubensbekenntnisse ernst, um eine komplexe Allegorie dieser außergewöhnlich potenten Stadt anzubieten und aufmerksam zu machen auf ihre zahlreichen Quellen für aktive, lebendige vernetzte Hoffnungen auf einen Frieden, der menschliche Grenzen und Konstruktionen überschreitet. Text: Sarah Bliss, Übersetzung: Michael Windgassen

Susanne Kessler wurde 1955 in Wuppertal geboren und lebt und arbeitet in Rom und Berlin. Sie studierte Bildende Kunst an der UdK in Berlin und am  Royal College of Art in London (MA). Ihre Werke wurden in mehr als 60 Soloshows gezeigt. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem DAAD-Stipendium, dem Paul-Strecker-Award der Stadt Mainz und der Kaiserring-Bewilligung der Stadt Goslar. Ihre mehrfachen Studienreisen führten sie durch Europa, Indien, Pakistan, Mali, Äthiopien, Guatemala sowie in die USA. 2001 und 2002 erhielt sie eine Gastprofessur für Installation und Zeichnung an der University of California, gefolgt von einer Gastprofessur an der Kunstakademie in Riga 2010. Von 2011 bis 2013 wirkte sie ebenfalls als Gastprofessin an der City University New York. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen, öffentlichen Sammlungen in Europa und Amerika sowie in etlichen Privatsammlungen vertreten.

Das Buch „Framing Space“, das kürzlich im Distanz Verlag erschien, ist in der Galerie erhältlich. Es zeigt die wichtigsten Skulpturen und Installationen der letzten 30 Jahre und bietet einen retrospektiven Einblick in die Arbeit von Susanne Kessler, mit Beiträgen von Achille Bonito Oliva, Vincenzo Mazzarella und Johannes Nathan.

Künst­ler­in­for­ma­tion und Werkübersicht

53°20’ – 53°40’N, 2017

53°20 – 40'N

53°20’ – 53°40’N, 2017

Ein Kunst-am-Bau-Projekt von Thorsten Goldberg für die North East Transit Garage in Edmonton/Kanada

Für den international ausgeschriebenen Wettbewerb für das neue Gebäude der North East Transit Garage in Edmonton wurden 6 Künstler eingeladen ein Projekt zu entwickeln.

Der künstlerische Entwurf 53°20’ – 53°40’N von Thorsten Goldberg erhielt den Zuschlag. Dieser besteht aus einer Sammlung von fünf topografischen Gebirgsmodellen von verschiedenen Orten der Welt, die sich auf dem gleichen Breitengrad wie die Stadt Edmonton befinden: Der Mount Chown in Alberta in Kanada, der Vulkan Okmok auf Umnak Island in Alaska, der Zhupanovsky Krater auf der Halbinsel Kamtschatka in Russland, eine namenlose Landschaft in der Nähe von Heilongjiang in China und der Berg Mweelrea in der Grafschaft Mayo in Irland. Die Reliefs sollen im Maßstab von 1:1000 als Aluminiumguss hergestellt, aufrecht stehend oben auf das neue Gebäude aufgesetzt werden.

Wie riesige Bohrproben liegen sie gestaffelt auf dem langgestreckten Gebäude. Sie betonen den funktionalen Charakter des Gebäudes und erzählen gleichzeitig von einer Reise entlang des 53. Breitengrades einmal um die Welt. Die Seitenwände der projektierten Aufbauten sollen die Koordinaten der Landschaften tragen.

Auftraggeber sind City of Edmonton und das Edmonton Arts Council. Die je ca. 610 x 570 cm großen Gebirgsmodelle wurden 2015 konzipiert und werden voraussichtlich 2017 fertiggestellt.

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weitere Projekte von Thorsten Goldberg
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Rückkehr des Cumulus 08.07, 2016

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Rückkehr des Cumulus 08.07, 2016

Ein drei­di­men­sionales Lich­to­bjekt von Thorsten Goldberg für die Lichtpromenade in Lippstadt

Thorsten Goldbergs Cumulus 08.07 leuchtet wieder.

Die ursprüngliche Kunstwerk, das bei einem Brand im Jahre 2012 völlig zerstört wurde, wurde nachfolgend einer Übereinkunft zwischen Kurator Dirk Raulf mit Christof Sommer (Bürgermeister der Stadt Lippstadt) und der Sparkasse Lippstadt, die Hauptsponsor der Lichtpromenade ist, komplett neu entwickelt und ein neues Material übersetzt. Im Dezember 2016 wurde es an seinem angestammten Platz mit Hilfe zahlreicher Unterstützer installiert. Das 300 x 160 x 160 cm große LED Lichtobjekt wurde 2008 konzipiert und erstmals 2009 realisiert.

Presse:
Südwestfalen Nachrichten, 19.12.2016
Kultur in Lippstadt, 14.12.2016
Focus Online, 13.12.2016

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20.000 Morgen, 2016

20.000 Morgen

20.000 Morgen, 2016

Ein Kunst-am-Bau-Projekt von Thorsten Goldberg für den Neubau eines Gästehauses der THW Bundesschule in Neuhausen auf den Fildern

Dieses Projekt stellt die Frage: Wo kämen wir hin, wenn wir schnurgerade in ein und dieselbe Richtung gingen, dabei nicht anhalten und niemals abbiegen würden. Und: was könnte man vom Fenster aus sehen, würde man atmosphärische Effekte, Luftverschmutzung und Erdkrümmung außer Acht lassen?

Für das neue Gästehaus zog der Künstler die Sichtachsen von den Fenstern jedes Zimmers aus, bis sie auf Orte in der Welt trafen, die eine inhaltliche oder zeitliche Beziehung zum THW besitzen. Diese Orte werden topografisch vermessen und in digitale Geländemodelle übersetzt. Die dreidimensionalen Miniaturnachbildungen im Maßstab 1:50.000 dieser Landschaften werden anschließend versilbert. So dienen die Modell-Landschaften als Referenzen für den einen anderen, weit entfernten Ort, den man sehen könnte – sie sind Vehikel für eine gedankliche Reise. Auftraggeber sind die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, das Oberfinanzdirektion Karlsruhe und das Staatliche Hochbauamt Reutlingen, in Abstimmung  mit der THW Bundesschule Neuhausen. Die 32 versilberten Terrainmodelle wurden 2015 konzipiert und werden 2016 fertiggestellt.

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24kt, 2017

24kt

24kt, 2017

Ein Kunst-am-Bau-Projekt von Thorsten Goldberg für die Grundschule Am Habichtshorst in Berlin Marzahn-Hellersdorf

24kt ist ein Vogelnest aus ca.1 kg Feingold, welches zur Neugründung und für den Neubau einer Berliner Grundschule von Thorsten Goldberg  hergestellt wird. Es wird für mindestens 14 Jahre sichtbar in einer Wand-Vitrine in Vakuum eingebaut. Nach 14 Jahren erlaubt Thorsten Goldberg der Schule die Vitrine zu öffnen, das goldene Nest einzuschmelzen und den Erlös für einen noch unbekannten, gemeinschaftlichen Zweck zu verwenden. Vertraglich festgelegte Bedingung für die Zerstörung und Veräußerung ist jedoch die Bildung einer Gemeinschaft und eine gemeinsame Entscheidungsfindung.
24 kt ist ein symbolisches Objekt für die Ideen und Träume der Schüler, es stellt eine Vision dar und dient gleichzeitig als Grundstock und Anlage für die neue Schule für einen Bedarf, der heute noch gar nicht absehbar ist.

Die vielschichtige Konzeptarbeit Thorsten Goldbergs teilt sich in 3 Zeitabschnitte:
1. die Zeit davor – als Zeit der Projektion, als Wunschtraum.
2. die Zeit, in der die Frist abgelaufen ist und das Kunstwerk (bzw. ein Teil dessen) urheberrechtlich ungeschützt ist, jederzeit eingeschmolzen werden kann – als eine Zeit der tatsächlichen Möglichkeit.
3. die Zeit danach, wenn das Nest eingeschmolzen und eingetauscht wurde – als eine Zeit der Transformation. Die leere Vitrine bleibt zurück mit einem Schild im Inneren, welches Material, Menge und Anfangs- und Enddatum nennt. Anstelle des goldenen Nests ist dann etwas Neues da: nicht nur der anstelle des Goldes eingekaufte Gegenstand oder das Inventar, sondern eine gemeinschaftlich gefundene Entscheidung und eine Gemeinschaft, die gegründet wurde.

Auftraggeber sind die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin, in Abstimmung mit ReimarHerbst.Architekten BDA, Reimar Herbst und Angelika Kunkler. Das Projekt wurde 2014 konzipiert und wird 2017 fertiggestellt.

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weitere Projekte von Thorsten Goldberg
www.goldberg-berlin.de

UNEARTHLY REALI­TIES

Menschen-Landschaften, Franziska Rutishausers
unheimliche Realitäten

Ausstellung: 1. – 23. Oktober 2015
Eröffnung: Donnerstag, 1. Oktober, 19 – 21 Uhr
Einführung: Dr. Harriet Häussler, Kunsthistorikerin
Adresse: WHITECONCEPTS | August­straße 35 | 10119 Berlin | www.whiteconcepts.de
Öffnungszeiten: Mo – Fr 11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung

WHITECONCEPTS freut sich, die erste Einzelausstellung von Franziska Rutishauser in ihrer Galerie zu präsentieren. Franziska Rutishausers Werk ist von physikalischen, philosophischen und ästhetischen Entwicklungen der Jetztzeit geprägt. Ausgehend von neuen Erkenntnissen über unser Universum lassen sich ihre Gemälde, Zeichnungen und Fotografien besser in ihrer Gänze verstehen. In der aktuellen Ausstellung werden Arbeiten aus drei großen Werkzyklen gezeigt, die sich teils direkt auf kürzlich entdeckte Erkenntnisse in der Physik beziehen.
Die vier aus der Serie „Dark light matter“ ausgewählten Öl auf Leinwand-Gemälde aus den Jahren 2010 bis 2014 spielen bereits im Titel auf die „Dunkle Materie“ an. Indem die Künstlerin das Wort „light“ integriert, fügt sie ein Wort- und Bedeutungsspiel ein. Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass die „Schwarze Materie“, die absolute und relative Dunkelheit im Universum, ein Viertel der Energie von nicht leuchtender und damit auch für das menschliche Auge nicht weiter definierbarer Materie in sich trägt. Die Künstlerin verweist mit „light“ darauf, dass auch im vermeintlichen „Nichts“ etwas ist. Nur das menschliche Auge ist nicht in der Lage, dieses zu erkennen. Eine Ansammlung von Schwemmholz in „Nest – Dark light matter“, das sie entdeckt, wird zugleich zum Abbild des Universums, Pflanzenblätter in „Calm 1 und 2 – Dark light matter“ erhalten durch die starken Lichtschattenkontraste nicht nur eine besondere Ästhetik, sondern lassen an fleischliche, tierische und menschliche Formen denken.
Diese Assoziationen treten auch in dem zweiten großen Werkzyklus der Ausstellung auf. In den „Berliner Sandbergen“, einer Serie von insgesamt 83 Fotografien aus dem Jahr 2012, aus denen die Künstlerin eine Auswahl von zwölf Leuchtkästen und zwei Drucken präsentiert, macht sie erneut etwas für das menschliche Auge sichtbar, das zwar existiert, ohne dabei jedoch offensichtlich zu sein. Als Franziska Rutishauser das Gelände einer ehemaligen Kaserne in Berlin-Karlshorst erkundet, entdeckt sie im sandigen Boden zahlreiche Formationen, die an menschliche Strukturen erinnern. Die Dokumentation der Baustelle wird für die Schweizerin und Neu-Berlinerin zu einer symbolisch konnotierten Reise. Für sie ist „Berlin kein Haus. Es ist ein Teller, ohne schützende Ränder. Eine riesige flache urbane Gegend, auf Sand gebaut. Ein Ort ständiger Veränderung.“
Der letzte Werkzyklus „Anthropomorphismen“, acht Zeichnungen von 2010, besticht ebenfalls durch seine Präzision der Darstellung und starken Schwarzweißkontraste. Er bezieht sich auf Naturformen, meist in Südfrankreich gefunden, in denen Gesichter und menschliche Körperfragmente versteckt zu sein scheinen. Erneut macht Franziska Rutishauser Unsichtbares sichtbar. Sie gibt dem Besucher der Ausstellung Bilder mit, die nicht nur bildhaft, sondern auch sinnlich erlebbar bleiben.

Die Schweizer Künstlerin Franziska Rutishauser (* 1962 in Münsingen) lebt und arbeitet , neben ihren Werkstätten in Bern und Nizza, seit fünf Jahren auch in Berlin. In diesem Jahr hat sie eine weitere Einzelausstellung im Kunstverein Solingen sowie Ausstellungsbeteiligungen in Bern, Karlsruhe und Bad Salzdetfurth. Ihre Monographie zum Oeuvre der Jahre 2006 bis 2014 ist kürzlich im Kerber Verlag, Bielefeld erschienen und in der Galerie erhältlich.

Künst­ler­in­for­ma­tion und Werkübersicht
Presseinformation

KARMAWERK

Karmawerk

Ausstellung: 11. bis 23. September 2015
Eröffnung: 11. September 2015, 18 bis 22 Uhr, Performance 20.30 Uhr: The Fall mit Karma, Vera Schrankl (vc), Yatziv Caspi (tbl) und Max Pela (dr)
Adresse: WHITECONCEPTS | Auguststraße 35 | 10119 Berlin | www.whiteconcepts.de
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag | 13 bis 20 Uhr

„Ich habe mich nicht immer wie ein „Fremder in einer fremden Welt“ gefühlt, sondern tatsächlich als Alien auf einem fremden Planeten. Ich bin irgendwie ANDERS. Ich bin immer zwischen allem, nicht wirklich verbunden, aber stets offen für alle Einflüsse.“ KARMA

WHITECONCEPTS freut sich, die erste Multi-Media-Ausstellung in Berlin der kanadisch-trinidadischen Künstlerin KARMA zu präsentieren. Die Soloshow zeigt neue Malerei, Skulpturen, digitale Kunst und Videos und erforscht Themen wie Leben/Tod, Desintegration/Reinkarnation, Alltäglichkeit/Transzendenz in der für KARMA typischen hochexpressiven, persönlichen, idiosynkratischen Weise.

KARMAWERK, der Titel der Ausstellung, fußt auf dem Konzept Karma + Arbeit/Werk. Obgleich sich die Wahrnehmung von Karma in der westlichen Popkultur aus Gegensatzpaaren wie Selbstbestimmung/Bestimmung und Aktion/Reaktion speist, ist auch Arbeit/Werk Teil seiner vielschichtigen und vieldeutigen Definition. Philosophisch fungiert das Werk in der deutschen Kultur als soziokulturelle, politische und religiöse Komponente. Verspielter ist der Bezug von KARMAWERK zur Band KRAFTWERK, den deutschen Pionieren der elektronischen Musik. Hinzu tritt die metaphorische und esoterische Referenz von WERK zur mystischen und alchemistischen Arbeit, die die simpelste Form von Kunst widerspiegelt – Transformation durch Manipulation eines Materials. KARMAs Kunst ist nicht nur durch den Versuch inspiriert, die Bedeutung ihres kulturell und spirituell komplexen Namens zu verstehen, sondern auch von der Notwendigkeit, die rätselhaften Fragen zu lösen, die sich dabei stellen. Ihre persönliche Obsession erschafft in Verbindung mit diesem Rätsel einen ganz eigenen Mythos. Gespeist wird er durch Dichotomien wie Hoch- vs. Sub-Kultur, Identität/Kultur, Ost/West, spirituell/mystisch, mythologisch/real, Alchemie/Wissenschaft, Philosophie/Psychologie, Natur/Kosmos hin zu Vergangenheit/Zukunft.
Für KARMA wird jedes neue Projekt und jede neue Serie konzeptionell durch einen Prozess aus Lernen und Wissen geformt. Während sich der künstlerische Schaffensprozess aus ihren intellektuellen Leidenschaften heraus entwickelt, ist die Visualisierung eher emotional, ursprünglich, intuitiv und improvisiert. Physisch sind Umfang und Form auf die Architektur und den Ausstellungsraum bezogen. Der Ort der Ausstellung als solcher ist ihrer Arbeit stets immanent. Berlin ist die Stadt, die das persönliche und künstlerische Anliegen der Künstlerin historisch und symbolisch am besten manifestiert.
Die Ausstellung KARMAWERK erforscht die Idee eines Gesamtkunstwerks. Jede einzelne Arbeit ist Teil eines künstlerischen Ganzen. Ästhetisch ist das WERK eine Hommage an verschiedene Kunstformen und -bewegungen – von Moderne, Surrealismus, dem Deutschen und dem Abstrakten Expressionismus sowie dem Minimalismus über Konzept- und Videokunst hin zur Performance. Indem sie scheinbar widersprüchliche Farben, Materialien, Stile und Techniken verwendet, strebt die Künstlerin ein Werk an, das sie als „Hybrid“ versteht. Die so entstehenden Arbeiten lenken den Blick auf die Zwischenräume und Kreuzungen, die entstehen, wenn Gegensätze kollidieren.

Geboren in Trinidad und Tobago (mit ostindischen, schottischen und nordafrikanischen Wurzeln), verließ die Tochter eines Poeten und Mitglieds der Black-Power-Bewegung sowie einer brahmanischen Linguistikstudentin eine südliche Kolonie, um in eine nördliche zu ziehen, Kanada. Getreu ihrer chamäleonhaften Natur, entschied sich die Künstlerin während ihres letzten Jahres an der Hochschule für darstellende und bildende Kunst für einen Wechsel von den Fächern Ballett, Modern Dance und Drama in das Hauptfach Visual Arts und gewann auf Anhieb den Graduiertenpreis für visuelle Kunst. In Toronto gründete sie schließlich ihr Künstlerkollektiv SYNDICATE.
Später an der Concordia University in Montreal studierte sie mit den Titanen des kanadischen Abstrakten Expressionismus und Minimalismus. Noch während ihres Studiums gewann sie das Ruth-Louise-Stipendium für herausragende Leistungen in Visual Art und schloss ihr Studium mit dem Gewinn des Preises für Malerei und Zeichnung ab. Seither stellt KARMA international aus. So zeigte sie ihre Arbeiten in Kanada, den USA, in Indien, Brasilien, Südafrika, der Karibik, in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, in Österreich und Deutschland, zum Beispiel in den renommierten Institutionen The Power Plant Contemporary Art Gallery, The Museum for Contemporary Art, The Art Gallery of Ontario/TO, CANADA Gallery oder D.U.M.B.O./NYC sowie Roberts and Tilton/LA, TAO Gallery/Mumbai sowie auf dem Berliner ARTFORUM. Zahlreiche Kunstzeitschriften, Magazine und Kataloge greifen Ihre Arbeiten auf, die darüber hinaus Eingang in die Sammlungen von Universitäten, Kuratoren und international renommierter Designer fanden. Ihrem nomadischen Blut folgend, lebte die Künstlerin in Jamaika, Saskatchewan, Toronto und Montreal. KARMA ist zudem als Kuratorin, Organisatorin und lehrend aktiv. Sie schreibt Gedichte, Lieder und Kurzgeschichten. Heute lebt und arbeitet KARMA in Berlin und an der Ostseeküste.

Übersetzerin: Dorothee Müller
* Stranger in a Strange Land ist eine 1961 Science-Fiction Roman von American author Robert A. Heinlein.